Kolumne: Es wird dunkel in den Köpfen und in den Herzen

Die aktuellen Beschränkungen durch die Corona-Pandemie treffen die Kulturschaffenden besonders hart. Das natürlich auch in unserer Region. Besonders aktiv in unserer Kulturszene ist seit Jahren der Torgelower Ulli Blume. Er hat sich nun in einer Kolumne seinen Ärger über die vielen Beschränkungen von der Seele geschrieben:

„Es wird dunkel in den Köpfen und in den Herzen

… na gut in vielen auch wieder nicht. 

Ländlichen Regionen haftet ja ohnehin der statistisch nachgewiesene „Charme“ an, dass das Interesse an Kultur und Kunst hier beträchtlich geringer sei, als in Großstädten und enger besiedelten Gegenden. Und das lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Die Veranstaltungshäuser im eher kleinstädtisch registrierten Nordosten sind schon mal nicht besonders groß und trotz durchweg interessanter und abwechslungsreicher Veranstaltungsangebote, fast nie ausgebucht. Das Rechenspiel der wenigen Veranstalter, die sich noch was trauen, geht hier schon unter „Friedenszeiten“ nicht auf und lässt sich ohne gelegentliche Förderhilfen kaum noch „notbeatmen“. 

Das ist leider wie es ist, denn obwohl auch hier bei uns genügend Menschen (übrigens auch junge Menschen) leben, ist das Interesse an Konzerten, Ausstellungen und anderen kulturellen Veranstaltungen ausgesprochen überschaubar. Und die Entschuldigung, es läge am Geld, kann so auch nicht stimmen, wenn man die Umsätze im Konsumbereich an anderer Stelle betrachtet. 

Kurzum – hier ist nicht viel Mitgefühl zu erwarten für eine Branche, die kurz vor dem Kollaps steht. Für Menschen, deren einzige Existenzgrundlage ihr Talent ist, ihre Art zu sprechen, ihr Geist, ihr Witz, ihre besondere Fähigkeit, ein Musikinstrument spielen zu können und damit Emotionen zu wecken. Emotionen, die es bei SAT 1 und ARD so nicht zu erleben gibt, auch nicht bei 65 Zoll und UltraHD. 

Im Gegenteil: da hört man zynische Bemerkungen wie „die haben doch jahrelang die fetten Honorare eingesammelt, da sollte doch noch was übrig sein“ oder „hätten die mal was Anständiges gelernt“. Über diesen geistigen Müll kann man ja weghören, aber wenn dann Politiker sich zu Äußerungen herablassen wie „Na, wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen, man wird ja wohl noch 2 Monate länger aufs Feiern verzichten können“, dann scheint man offenbar noch nicht verinnerlicht zu haben, welchen prozentualen Anteil die Kunst- und Kulturbranche am Bruttosozialprodukt eigentlich hatte (zu „Friedenszeiten“). 

Und statt weiter mit der Gießkanne Geld zu verbrennen, wäre es jetzt vielleicht an der Zeit, mutige Konzepte vorzulegen, statt mit Masken und aufgeblasenen Horror-Meldungen in den Medien weiter Angst zu verbreiten. Konzepte vielleicht, die die regionalen Besonderheiten berücksichtigen? Wenn in einem Schlachtbetrieb Gütersloh die Hygienebedingungen für Fremdarbeiter auf das Niveau der Sklaverei heruntergebrochen wurden und jetzt 7.000 Menschen in Quarantäne müssen, heißt das gleichzeitig, dass in Pasewalk oder Torgelow eine Veranstaltung mit 150 Besuchern nicht stattfinden darf? Wo wir hier, trotz zahlreicher Testungen auch nicht einen an Corona erkrankten Fall kennen? 

Die Mittel gezielt dort einzusetzen, wo Hotspots entstehen, wo Menschen geholfen werden muss, wo nachgewiesener Bedarf entstanden ist – und alle anderen mal wieder arbeiten zu lassen, damit das am Ende auch finanziert werden kann – für diesen Plan scheint niemand in der Entscheidungspolitik ein Ohr zu haben. Stattdessen bürden wir unseren Kindern und Enkelkindern ein Schuldenpaket auf, das den, übrigens von unseren Steuergeldern, über 50 Jahre erarbeiteten Wohlstand auf einen Schlag vernichtet. 

Vielleicht hätte man stattdessen nach dem Lockdown über einen kleinen monatlichen Bürgerbonus nachdenken sollen, an dem wirklich wir ALLE beteiligt werden, (auch die Politiker und die Beamten), dann hätte man die Milliarden, um in den Krisengebieten sofort und effektiv zu helfen. 

Aber stattdessen töten wir die Bildung, die Wirtschaft, die Kultur und die Zwischenmenschlichkeit, mit der äußerst vagen Behauptung, es würde ja dann am Tage X plötzlich wieder alles so sein wie es mal war. 

Für Künstler, Caterer, Schausteller, Clubs und viele Soloselbstständige dieser Branchen, die sich schon voller Angst an den 1. September geklammert hatten, wird diese Hoffnung jetzt wohl zu spät kommen. Es wird Konkurse und Privatinsolvenzen in noch nie dagewesenem Ausmaß geben – und die Politik hat nichts weiter anzubieten, als eine an Verwaltungsaufwand nicht zu überbietende Mehrwertsteuer-Zappeltour und einen Kinderbonus, der genau an der Stelle, für die er gedacht ist, wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen ankommen wird. Und wenn noch irgendeine Lobby oder irgendein Verein, der schon seit Jahrzehnten mit hohen Förderungen einen Schein nach dem anderen an die Wand gefahren hat, eine noch so bekloppte Idee hat – dann jetzt beantragen: Es sind noch ein paar Milliarden im Topf. Weiter so!“ 

21.06.2020, Ulrich Blume, Torgelow 

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