Long-Covid: Was sind Spätfolgen der Virus-Infektion?

Sie fühlten sich fit, sportlich und gesund, bis sie das Corona-Virus erwischt hat. Danach empfanden sich die Betroffenen nicht selten als ein körperliches Wrack. Wenn Dr. Burghart Lehnigk von diesen Erfahrungen seiner Patienten im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg erzählt, spricht er von Menschen, die zwischen Mitte 20 und 50 Jahre alt sind, also noch jung. Sie leiden an Long-Covid und das, obwohl sie mitunter nur einen leichten Verlauf der Krankheit hatten.

„Wir behandeln aktuell Patienten, die bereits 2020 erkrankten“, erzählt der Facharzt für Pneumologie. Die Welle derer, die nach einem schweren Krankheitsverlauf mit intensivmedizinischen Behandlung das Reha Klinikum in Ratzeburg besuchten, ist momentan abgeebbt. Unter ihnen waren zuerst sehr viele ältere Patienten. 

Allen gemeinsam ist, dass die Auswirkungen der Virusinfektion sich zum Teil erst viel später zeigten. Wenn sich die Betroffenen den Weg zur Arbeit wieder zutrauten, merkten sie erst, dass sie schnell überlastet, müde und unkonzentriert waren. 

Spricht man von Post-/Long-Covid, so sind es immer wiederkehrende Beschwerden, die das Ratzeburger Reha-Team bei Patienten erlebt. Dazu gehören beispielsweise Atemnot, Herzrasen, kognitive Störungen, die das Gedächtnis oder die Konzentration betreffen, der Verlust des Geschmackssinns, die Reduzierung des Hörvermögens und oft bei Frauen auch Haarausfall. 

Eines der Hauptsymptome, das auf Long-Covid hinweist, ist allerdings das Erschöpfungssyndrom. „Die Patienten stehen morgens auf und möchten sich am liebsten gleich wieder hinlegen“, beschreibt der Facharzt. Außerdem treten bei den Betroffenen auch Sensibilitätsstörungen und eine verminderte Muskelspannung auf. Die Patienten können beispielsweise nicht mehr richtig greifen. 

Derartig einschneidende Spätfolgen der Virusinfektion führen natürlich auch zu einer starken psychischen Belastung, erklärt Dr. Burghart Lehnigk. Seien es doch oft Patienten, die vor Corona mitten im Leben standen und sich jetzt nicht mehr in der Lage fühlten, ihren Alltag zu bestreiten. 

Der reguläre Aufenthalt eines Long-Covid-Patienten in Ratzeburg dauert drei Wochen. Doch das ist nach Erfahrung des Facharztes für viele zu kurz. Sie müssen vier oder fünf Wochen im Klinikum bleiben. Ein auf den Patienten individuell abgestimmtes Therapie-Angebot soll den Betroffenen wieder auf die Beine helfen. Da die Reha-Einrichtung über eine psychosomatische Klinik verfügt, kann den Patienten in Ratzeburg auch dafür ein entsprechendes Angebot gemacht werden. 

Grundsätzlich wird in der Therapie versucht, die körperliche Fitness der Männer und Frauen wieder zu stärken. „Das muss dosiert erfolgen. Die Patienten brauchen auch ihre Pausen“, so Burghart Lehnigk. Unterstützend wirken dabei autogenes Training, Naturerlebnisse und Yoga. In Bezug auf kognitive oder Sensibilitätsstörungen werden beispielsweise Gedächtnis- oder Geschmackstrainings durchgeführt. 

Zur psychologischen Therapie gehören unter anderem Gesprächsgruppen. „Es ist wichtig, dass sich die Patienten untereinander austauschen“, so der Experte. Außerdem empfiehlt er auch eine psychologische Einzelbetreuung neben den körperlichen Therapieansätzen. 

Inzwischen konnten die Mediziner in Ratzeburg jede Menge Erfahrungen mit den Folgen, die eine Erkrankung mit Covid 19 nach sich ziehen kann, sammeln. Dabei stellen sie u.a. fest, dass bei Akutfällen, also bei Menschen mit schwersten Lungenveränderungen, nach der Reha eine graduelle Verbesserung erkennbar ist. 

Prozentual erkranken übrigens mehr Frauen als Männer an Long-Covid, weiß Burghart Lehnigk. Auch wenn bei vielen Reha-Patienten eine Besserung der Beschwerden eintritt, so bleiben doch einige nach der Therapie arbeitsunfähig, so die bisherigen Erfahrungen in Ratzeburg. Diesen Patienten rät Dr. Lehnigk,  zu Hause mit Hilfe von Fachärzten die Therapie fortzuführen. „Die Arbeitsunfähigkeit nach einer Covid-19-Erkrankung wird zu einer Herausforderung für unser Gesundheitssystem werden“, meint der Mediziner.

„Was die Betroffenen vor allem brauchen, ist Geduld. Sie müssen lernen, sich zu belasten, dann aber auch wieder loszulassen und sich zu entlasten, um in eine gesunde Balance zurück zu finden“, so der Facharzt. 

Etwa 15 Prozent der Covid-Patienten haben mit massiven Spätfolgen zu kämpfen, die sie vor ungeahnte Herausforderungen stellen. Wer solche Einschränkungen bei sich feststellt, sollte sich unbedingt bei einem Arzt vorstellen, rät Dr. Burghart Lehnigk. Vor allem bei langanhaltenden Atembeschwerden sollte ein Pneumologe, also ein Lungenarzt, aufgesucht werden.

Text: Von Uta Bilaczewski / Foto: storyblocks

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