Wie das Corona-Virus auch die bunte Welt der Kita-Kinder auf den Kopf stellt

Die kleinen Händchen regelmäßig waschen, in die Armbeuge niesen und husten, wenn gerade kein Taschentuch griffbereit ist, das lernen schon die Kleinsten von den Eltern oder ihren Erzieherinnen und Erziehern in der Kita. Der Grund bedeutender denn je: Die Corona-Pandemie. Sie hat auch die bunte unbeschwerte Welt der Kita-Kinder komplett auf den Kopf gestellt. 

Dr. med. Andrea Mossner kann sich noch ziemlich genau an den Lockdown im März 2020 erinnern. Sie ist Ärztliche Leiterin des AMEOS Poliklinikums und stellte gemeinsam mit ihrem Team fest: Nach etwa zwei Wochen waren praktisch keine Patienten mit Infekten mehr in der Praxis. Es herrschte eine unheimliche „Ruhe“. Bindehautentzündung, Magen- und Darminfekte, fieberhafte Infekte oder Bronchitis schienen quasi „ausgerottet“. Die Gründe bleiben Spekulation. „Einige Eltern hatten sicher Angst zu Zeiten des totalen Lockdowns mit ihren Kindern in die Arztpraxis zu kommen“, so Andrea Mossners Vermutung. „Krankschreibungen wurden nicht gebraucht und Eltern versorgten sich selbst bei Bedarf in der Apotheke mit Fiebersaft für ihre Kinder.“ Keinen Kontakt mit anderen Mädchen und Jungen in Einrichtungen wie Kita und Schule zu haben, trug sicher auch dazu bei, dass die sogenannte Grippewelle schneller vorüber war als das sonst der Fall ist, bewertet die Medizinerin die Auswirkungen des Lockdowns.

Das allgemeine Infektionsgeschehen nahm seit August allerdings wieder zu: „Wir hatten es im Poliklinikum mit einem Aufkommen zu tun, wie sonst erst im Oktober oder November“, berichtet Andrea Mossner und sieht unter anderem einen Zusammenhang mit dem Ferienende und der Öffnung von Bildungseinrichtungen, die sie übrigens äußerst sinnvoll findet – ein ent-
sprechendes Hygiene- und Betreuungskonzept der jeweiligen Kitas und Schulen natürlich vorausgesetzt.

Die Auswirkungen des Lockdowns

Die Auswirkungen des Lockdowns sind an den Jüngsten alles andere als spurlos vorbeigegangen, schätzt die Ärztin ein. Ihnen fehlten die für ihre Entwicklung so wichtigen sozialen Kontakte mit anderen Kindern. „Sie hatten plötzlich keine Spielkameraden mehr.“ Und Eltern können, so die Überzeugung von Andrea Mossner, den Freund oder die Freundin in der Kita nicht ersetzen. „Kinder unter sich spielen und toben anders.“ 

Feststellbar sei außerdem, dass Kleinkinder an Gewicht zugenommen haben, so die Medizinerin. Dazu führte unter anderem mangelnde Bewegung, da sie viel zu Hause waren. „Hiervon waren hauptsächlich Stadtkinder betroffen.“ Stundenlang vorm Fernseher hocken, am Tablet zocken oder mit dem Smartphone spielen, sind ebenfalls Auswirkungen des Lockdowns, die Andrea Mossner für sehr bedenklich hält. Auch das Aggressionsverhalten von Kleinkindern habe in dieser Zeit zugenommen, sagt sie. So wurde das Thema häusliche Gewalt im Zusammenhang mit dem Lockdown häufig thematisiert. Deshalb sei es ihrer Ansicht nach einfach wichtig, dass Kitas und Schulen wieder geöffnet haben.

Covid-19 und andere Krankheiten im Herbst

Gleichzeitig versteht die Ärztin die Ängste und Sorgen der Eltern, Erzieherinnen und Erzieher. Es kommt  die kalte Jahreszeit und die Näschen der Kleinen tropfen, die Kinder husten … so wie in jedem Herbst und Winter. Aber nicht jede Erkrankung ist Covid-19. Die Symptome eindeutig zuzuordnen, fällt schwer. „So wird ein Kleinkind beispielsweise wohl kaum vom Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns – beides zählt zu den Symptomen von Covid-19 – berichten“, sagt die Ärztin. 

Festzuhalten bleibt, dass Kinder sich mit dem neuartigen Virus anstecken und auch andere infizieren können. „Alles Weitere ist jedoch umstritten.“  Fest steht jedoch: „Mediziner beobachten bei Kindern überwiegend milde Verläufe“, sagt die Ärztliche Leiterin und ergänzt: „Auch bei chronisch kranken Kindern.“ 

Die Situation ist ernst und das Corona-Virus wird uns noch eine Weile begleiten, ist sich Andrea Mossner sicher. So hält sie es für sinnvoll, dass Kinder nicht nur in der Kita, sondern auch in ihrer Freizeit möglichst eine feste Gruppe von Spielkameraden um sich herum haben. So können eventuelle Infektionsketten schneller nachvollzogen und unterbrochen werden.

Von Uta Bilaczewski

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