Kinder und Jugendliche zwischen Spiel und Internetsucht

Aleksandr Kozlov, Assistenzarzt der AMEOS Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Ueckermünde, klärt auf und gibt Ratschläge im Umgang mit digitalen Medien.

Ob PC, Smartphone, Tablet oder Fernseher – digitale Medien sind aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen längst nicht mehr wegzudenken. Doch wo liegt die Grenze zwischen gesundem Mediengebrauch und übermäßigem Konsum? Es fragen sich immer mehr Eltern, wie sie ihre Kinder im digitalen Zeitalter begleiten können, ohne den Draht zum echten Leben zu verlieren.

„Das ist keine leichte Aufgabe“, wie Aleksandr Kozlov, Assistenzarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Ueckermünde weiß. 

Das Handy gehört beim Nachwuchs genauso wie bei den Erwachsenen heute zum Leben dazu. Es ist Statussymbol, Kommunikationsmittel, es bietet Sicherheit und es ist Zugang zum Internet, zu Computerspielen sowie zur Social-Media-Welt. Heute jonglieren Kinder und Jugendliche mit YouTube, WhatsApp, Instagram und Co., während Eltern oft nur noch staunend – oder auch verzweifelnd – hinterherblicken.

Während Jungen die digitale Welt häufig für Computerspiele nutzen, sind Mädchen eher auf TikTok oder Instagram unterwegs, berichtet Assistenzarzt Aleksandr Kozlov aus seiner Erfahrung. Soviel Gutes dieser Fortschritt auch hat, so bringt er dennoch Gefahren mit sich, nämlich dass sich Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt verlieren und abhängig werden. Deshalb sollten Eltern aufmerksam werden, wenn ihre Kinder beispielsweise lieber Computerspiele spielen, als im realen Leben unterwegs zu sein. Sie weisen dann häufig eine gedankliche Abhängigkeit sowie eine gewisse Entzugssymptomatik auf, schildert Aleksandr Kozlov. Sie seien unruhig oder gereizt, beim Versuch das Spielen einzuschränken. Zudem würden andere Pflichten wie Schule, Familie, Freunde oder Hobbys vernachlässigt werden. Über mehrere Stunden am Tag – mitunter
8 bis 10 – sind die Kids dann online. Sie leiden nicht selten unter Schlafmangel, weiß der Assistenzarzt. Kurzum: „Betroffene verlieren die Kontrolle und ihr Zeitgefühl.“

Egal ob die Kinder und Jugendlichen viel zu lange in digitalen Welten beim Computerspielen unterwegs sind oder sich über viele Stunden über einen längeren Zeitraum in der Social-Media-Welt herumtreiben, diese Abhängigkeit bleibt häufig nicht folgenlos, berichtet Aleksandr Kozlov. „Betroffene können Defizite in sozialen Kompetenzen aufweisen, schulische Probleme haben oder auch gesundheitliche Beschwerden aufweisen.“ Zu letzteren würden unter anderem entstehendes Übergewicht zählen, weil sich die Kinder  kaum bewegen, die Degeneration der Handgelenke, Sehfehler oder gar eine Skoliose, eine Verkrümmung und Verdrehung der Wirbelsäule. Um betroffene Kinder und Jugendliche aus der Abhängigkeit herauszuholen, sei es wichtig, die jungen Patienten und ihre Eltern über das Krankheitsbild zu informieren und aufzuklären.  Zudem sei eine gute Prävention hilfreich. Dabei sei es ratsam, digitale Medien nicht per se zu verteufeln, stellen sie doch einen wichtigen Fortschritt dar. „So kann man durch das Spielen beispielsweise auch etwas lernen“, berichtet der Assistenzarzt aus eigener Erfahrung. So habe auch er früher gern Computerspiele gespielt. „Aber ich war auch gut in der Schule“, sagt er.

Es käme also immer aufs richtige Maß und die Persönlichkeit an. Wichtig sei es, Sport zu treiben, die familiäre Gemeinschaft in Form von gemeinsamen Mahlzeiten zu pflegen, den Kindern ein Gefühl von Geborgenheit zu geben und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Denn ein kaputtes Selbstwertgefühl könne in eine Depression, aber auch zu einer Computer- oder Handy-Abhängigkeit führen. „Probieren Sie es gern auch mit dem guten alten Brettspiel als analoge Alternative“, empfiehlt der Mediziner. „Außerdem sollten die Kinder kreativ bleiben  – eigene Bilder, Filme, Musik oder Spiele erschaffen“, rät  Aleksandr Kozlov. 

Ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, wäre eine PC-/Internet-Abstinenz ratsam. „Accounts können beispielsweise gelöscht und der Avatar beerdigt werden.“ Therapeuten, aber auch Selbsthilfegruppen könnten dabei helfen. Ebenso müsse nach einer möglichen Grunderkrankung, wie einer Depression, geforscht werden. Sei die digitale Welt doch nicht selten auch eine Flucht aus dem realen Leben. Wolle man eine Veränderung herbeiführen, würden ein Problembewältigungstraining, ein Sozialkompetenztraining, eine Tages- und Wochenstruktur sowie ein Selbstwertverstärkerplan  auf dem Weg aus der Abhängigkeit helfen. Zudem sollte das soziale Umfeld einbezogen und eine Psychotherapie angestrebt werden, um den jungen Patienten irgendwann die Verantwortlichkeit für sich selbst zurückzugeben. Wichtig sei es letztlich, einen gesunden Umgang mit den digitalen Medien zu pflegen, die auch in die Schulen längst Einzug gehalten haben. 

Aleksandr Kozlov, Assistenzarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Ueckermünde

Text: U. Hertzfeldt / Fotos: U. Hertzfeldt (1), pixabay (1)

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