Der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der AMEOS Klinika in Vorpommern weist auf Anzeichen der Krankheit und Therapiemöglichkeiten hin.
Ihnen geht es nicht gut. Ihre Stimmung ist gedrückt und Sie haben zu nichts Lust. Ihre Muskeln sind verspannt. Sie haben Kopfschmerzen. Schwindelgefühle plagen Sie und Sie können nicht richtig sehen. Sie haben sogar hin und wieder ein Flimmern vor den Augen und fragen sich: „Was ist mit mir los?“ Schlaf-, Appetit- und Gedächtnisstörungen führen sogar dazu, dass Sie Ihren Alltag nicht mehr richtig bewältigen können.
„Schlussendlich gehen Betroffene zunächst zu ihrem Hausarzt, um ihm die Symptome vorzustellen“, berichtet Andreas Trupp, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der AMEOS Klinika in Vorpommern, von seinen Erfahrungen mit Patienten, die an einer Depression erkrankt sind. Zudem sind Druckgefühle im Hals und in der Brust sowie Magenprobleme, Libidoverlust und sexuelle Funktionsstörungen symptomatisch für diese ernstzunehmende Erkrankung, die unbehandelt sogar bis zum Suizid führen kann, erklärt der Chefarzt.
„Irgendwann schlagen sich die Symptome dann auch im äußeren Erscheinungsbild nieder.“ Betroffene vernachlässigen die Körperpflege und achten nicht mehr auf ihre Kleidung. Ihre Mimik und Gestik verändern sich. „Auch das Sprechverhalten wird ein anderes“, erklärt Andreas Trupp. „Patienten werden wortkarg und haben oft eine leise monotone Sprache.“
Hat der Hausarzt schließlich alle Untersuchungen gemacht und körperliche Ursachen für die beschriebenen
Symptome ausgeschlossen, empfiehlt er den Weg zu einem Facharzt. Die Patienten begleiten meist starke Selbstzweifel, sie grübeln viel und empfinden einen sehr hohen Leidensdruck bis hin zur Hoffnungslosigkeit.
Die Wissenschaft belegt, dass Frauen öfter betroffen sind als Männer und das Risiko an einer Depression zu erkranken, bei familiärer Vorbelastung fünffach erhöht ist. Ob dabei eher die Genetik oder das Verhalten des nahen Umfeldes ausschlaggebend sind, wird noch intensiv beforscht. „Eine Depression kann in jedem Alter auftreten“, berichtet der Mediziner aus seinem Klinikalltag.
Die Depression wird nicht selten begleitet von einer Angst- und Panikstörung, einer Zwangserkrankung oder auch von Sucht-
erkrankungen. „Mit Alkohol, Drogen oder Tabletten suchen die Betroffenen häufig einen Ausweg aus der Depression, im Sinne eines Selbstbehandlungsversuchs.“ Aber auch der umgekehrte Fall ist möglich. Abhängigkeiten können auch in eine Depression führen. Ebenso sind der Verlust eines lieben Menschen, starke Schmerzen oder Einsamkeit Gründe, in diese psychische Erkrankung zu schlittern. „Davor ist niemand gefeit“, betont Chefarzt Trupp. „Es kann jeden treffen.“
Es gibt unter anderem leichte, mittelgradige und schwere depressive Episoden, zwischen denen unterschieden wird. Die Verlaufsformen sind dabei unterschiedlich. Es gibt depressive Phasen mit vollständiger Heilung, aber auch solche mit unvollständiger Heilung. Außerdem kann eine Depression wiederholt vorkommen, sogar anhaltend auftreten oder chronisch werden. „Umso wichtiger ist es, diese Erkrankung zu behandeln“, betont der Chefarzt.
Dafür kommen Medikamente, sogenannte Antidepressiva, in Frage. Welches Medikament mit welcher Dosierung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Chefarzt Andreas Trupp erklärt. Dabei spielen die Wirksamkeit bei eventuellen früheren depressiven Phasen des Patienten oder auch persönliche Präferenzen eine Rolle. Außerdem werden bei der Auswahl des Medikaments unter anderem die Ausprägung einer vielleicht vorhandenen Schlafstörung, möglicher Ängste, einer eventuellen psychomotorischen Erregung, z. B innere Unruhe, Rastlosigkeit, motorische Unruhe oder Hyperaktivität und der Grad der Suizidalität (Lebensmüdigkeit) berücksichtigt. Auch auf eventuelle Nebenwirkungen des Medikaments hat der behandelnde Facharzt stets ein Auge. Worüber die Patienten unbedingt aufgeklärt werden müssen, ist, dass die Wirkung des Medikaments bis zu einigen Wochen zeitverzögert auftreten kann. Andreas Trupp sieht sonst die Gefahr, dass die Patienten die Therapie abbrechen, weil vermeintlich die Wirkung ausbleibt.
Neben diesen psychiatrischen Therapieverfahren mit medikamentöser Unterstützung sind somatische Therapieverfahren im klinischen Alltag gut etabliert, wie z. B. die Elektrokrampftherapie, die Schlafentzugstherapie oder die Lichttherapie. Die Wintermüdigkeit kennt vermutlich jeder. Gerade die Lichttherapie kann hier ansetzen und für ein besseres Wohlbefinden sorgen.
Außerdem kann die Psychotherapie in einer depressiven Phase für eine positive Beeinflussung der Lebensqualität sorgen, so der Chefarzt. Das sei jedoch von der Depressionsschwere abhängig. Sind bei einer leichten depressiven Episode zwar schon niederschwellige Behandlungsangebote wie eine angeleitete Selbsthilfe, eine Verhaltensaktivierung oder Problemlöseansätze ausreichend, so sind bei einer mittelschweren und schweren Depression medikamentöse Therapien sowie Psychotherapien empfehlenswert. Dabei weiß der Experte, dass drei Viertel aller Patienten eine Psychotherapie einer medikamentösen Therapie vorziehen.
In jedem Fall gilt: Sollten Sie einen Zustand deutlich gedrückter Stimmung, Interessenlosigkeit und Antriebsminderung über einen längeren Zeitraum – länger als zwei Wochen – an sich bemerken, dann suchen Sie bitte einen Arzt auf!
Text: U. Hertzfeldt / Fotos: pixabay (1); AMEOS (1)
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